Vorwort

„Und Gott ruhte am siebten Tag“ - das ist vielleicht die ungewöhnlichste Aussage am Ende des ersten Schöpfungsberichtes. Denn es wird gesagt: „Zeit vergeht, muss genutzt werden, kann vertan werden, ist verlorene Zeit“. Sechs Tage lang hat nach diesem Bericht Gott die Welt geschaffen - eine Vorstellung, die dem modernen Weltbild entspricht, in dem Leistung, Effizienz, Fleiß hohe Werte sind.

Und nun: Er ruhte?

Sprechen wir von Zeit, gilt die Ruhe oft als vertane Zeit. Doch der Schöpfungsbericht aus 1. Mose 1 lehrt uns, Zeit einzuteilen, Zeit zu nutzen, dabei aber die Ruhe nicht zu vergessen.

Die Schabbatruhe steht am Anfang dieses Heftes: sich Zeit nehmen, den eigenen Körper, das Leben, die Schöpfung zur Ruhe kommen zu lassen, das lernen wir, wenn wir diese Ruhe, die in religiösen jüdischen Familien von Freitagabend bis Samstagabend eingehalten wird, in die Hektik unseres Alltags einbeziehen.

Das Nachdenken über die Zeit angesichts aller Vergänglichkeit führt zu anderenFragen:

Zeit, die verrinnt, enteilt
Zeit des Lebens, Zeit des Sterbens
Zeit, der jedes Ding unterworfen ist
Zeit, die fließt oder still steht.

In unterschiedlichen Zusammenhängen von Tod und Leben, Liebe und Leid, Ruhe und Arbeit, Schicksal und Schuld stellt sich dieses Heft der Zeit. Was allgemein gültig ist, hat doch auch seine besondere Bedeutung im christlich-jüdischen Horizont. Nicht nur die Schabbatruhe, auch die Fragen nach der Schöpfung im Buch Kohelet oder Sarahs Hoffnung gegen die Zeit zeigen unsere Verwurzelung im Judentum. Kleine Sentenzen im Actus tragicus von Johann Sebastian Bach lassen uns die Nähe zu jüdischen Traditionen oder auch christliche Abgrenzung wahrnehmen. Kunstwerke von Marc Chagall und von HAP Grieshaber stellen sich in je eigener Weise der Zeit.

Entstanden ist ein Heft mit Entwürfen für ganz unterschiedliche Veranstaltungen und Anlässe: Gemeindeabende, Gottesdienste, Gedenkfeiern. Das Jahresthema der Ev. Kirche in Hessen und Nassau „Zeit“ wurde damit noch einmal in einer ganz besonderen Sichtweise behandelt.

Allen Benutzerinnen und Benutzern dieses Heftes aus der Reihe „Gottesdienst in Israels Gegenwart“ wünschen wir viel Freude bei den Veranstaltungen, zu denen sie durch dieses Heft angeregt werden.

Heppenheim a.d.B., im Mai 2006
Ulrich Schwemer, Pfarrer

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